Hallo Baum! Hallo Waldbad!

neue Wege durch Waldbaden
Waldbaden = Veränderung

Vor einigen Jahren waren es die Luxushotels, die mich in ihrem Bann gezogen hatten. Irgendwann stellt sich trotz Traumresort und teurer Spa-Behandlung nicht mehr der gewünschte Effekt ein. Die Unruhe blieb, die Anspannung ebenso und das Smartphone sowieso. Abschalten ging ganz einfach nicht und auch wenn es sich einmal fast so anfühlte, ließ sich eine gefühlte Entspannung nicht in den Alltag übertragen.

Dann entdeckte ich eines Tages ihn: den Wald! Schon in meiner Kindheit war ich viel im Wald unterwegs. Aber wie es bei vielen in jungen Jahren üblich war, meist auf Wanderungen mit der Familie und die waren nicht immer beliebt.

Als mich vor einigen Jahren die Wälder Schwedens umfingen, es plötzlich nur noch Natur und keinen Handyempfang mehr gab, kam es zum ersten Durchatmen. So viel Luft, so viel Schönheit, Freiheit und Stille um mich herum. Plötzlich wurden alle Sinne angesprochen, die Augen durch das leuchtende Grün der Bäume, die Ohren durch das leise Rauschen eines Flusses, die Nase durch die Düfte des Waldes, der Tastsinn durch das unsagbar weiche Moos und sogar der Geschmackssinn, durfte sich an dunkelvioletten herrlich süßen Heidelbeeren erfreuen. Die Szenerie war unwirklich, fast wie in einer Märchenwelt.

Seitdem lockt mich der Wald! Unzählige Wanderungen und Spaziergänge durch verschiedene Wälder folgten und immer war da dieses Gefühl, das ist gut, das tut mir gut. Der Wald wurde zur Regenerationsquelle, doch nie weilte meine Aufmerksamkeit wirklich bei mir oder der Waldumgebung. Entweder wanderten wir mit einem festen Ziel vor Augen, erkundeten wir eine neue Umgebung oder wir verbrachten unsere Spaziergänge plaudernd. Gezählt hat in diesem Augenblick das angenehme Gefühl, sich in der Natur aufzuhalten und die Gewissheit etwas für die eigene Fitness getan zu haben.

Waldbaden, ein spiritueller, esoterischer Trend?

Eines Tages hörte ich erstmalig etwas über Waldbaden. Als eher faktenorientierter Mensch begann ich mich zu informieren. Shinrin-Yoku? Eine Sekte, ein spiritueller Trend?


Nein! Waldbaden stammt ursprünglich aus Japan, dort nutzt man die Heilkräfte des Waldes schon seit den 1980ziger Jahren als Therapeutikum. Waldbaden ist Teil des japanischen Gesundheitssystems. Waldluft enthält besondere Duftstoffe, die sogenannten Terpene. Eigentlich als Schutzmechanismus der Bäume gegen Krankheiten und Schädlinge im Einsatz, wirken sich diese positiv auf unser Immunsystem aus.

Trotz nachweisbarer Effekte auf die menschliche Gesundheit wie Senkung des Blutdrucks, des Cortisolspiegels, der Bildung von weißen Blutkörperchen und vielem mehr, stellt Waldbaden bei uns keine Therapie dar. Waldbaden ist eine anerkannte Methode zur Stress-Prävention und für viele ein Wegweiser in eine neue Richtung.
Ein Waldbad unterscheidet sich zu einem Spaziergang oder einer Wanderung. Sinn und Zweck eines Waldbads ist es, alle Sinne zu öffnen, neue Energie und Kraft zu tanken, achtsam zu sein, zu entschleunigen und die Natur und sich selbst wieder wahrzunehmen.

Hinein in den Wald, mein erstes Waldbad beginnt

Für Waldbaden Anfänger ist es besonders wichtig, ein ruhiges und einsames Waldstück zu finden. Je weniger Menschen, je weniger Zivilisation umso leichter fällt es, sich auf das Waldbad einzulassen. Mein erstes Waldbad fand in einer Gruppe von 13 anderen Teilnehmern statt. Ich konnte mir anfangs nicht vorstellen, wie es möglich sein kann, in dieser Umgebung loszulassen und zu entspannen.

Unser Waldbad begann mit einem Schlendern hinein in den Wald. Wir plauderten angeregt und innerlich stellte ich mir erneut die Frage, was soll das bringen? Wo ist der Unterschied zu einem Spaziergang. Dann wurden wir gebeten, uns ab jetzt nicht mehr zu unterhalten und uns noch langsamer durch den Wald zu bewegen. Das war nun schon etwas ganz anderes, aber auch ungewohnt. Der Druck, sich in Gesellschaft zu unterhalten, war plötzlich weg. Wir bewegten uns einfach langsam voran. Wir atmeten tief und bewusst, wir sogen die würzige Waldluft ein. Durch die Langsamkeit entdeckten wir die kleinen Schönheiten des Waldes, wie zarte Flechten und glitzernde Spinnennetze. Wahrnehmungen, die uns ansonsten durch unsere Schnelligkeit und Achtlosigkeit nicht aufgefallen wären.

Überraschende Sinneserfahrungen im Wald

Wir lernten mit verbundenen Augen die Gerüche des Waldes kennen. Wer hat schon eine Vorstellung, wie ein Stein riechen könnte oder eine Wurzel? Dann schlossen wir die Augen und versuchten zu erraten, was wir mit unseren Fingern vorsichtig ertasteten. Später setzten wir uns und lauschten dem Konzert des Waldes, bestehend aus dem Singen der Vögel und dem Rauschen des Windes durch die Blätter. Wir erlernten leichte Atem- und Meditationsübungen und tauschten uns hin und wieder über unsere Eindrücke und Wahrnehmungen aus. Wir genossen es, ein Stück des Weges barfuß zu gehen. Wie schön sich das anfühlt, wie sehr sich die Verbundenheit mit dem Untergrund einstellt.


Schließlich suchte jeder von uns sich einen, seinen Baum. Wir verstreuten uns auf Sichtweite im Wald, so dass wir zwar für uns waren, aber trotzdem die Geborgenheit der Gruppen fühlten und legten uns auf den duftenden Waldboden. Einige von uns benutzten eine Unterlage, einige legten sich ohne Scheu auf den Boden.


Für mich waren diese Minuten eine der eindrucksvollsten Erfahrungen im Wald. Auf dem Boden zu liegen, die Ruhe zu genießen, die Zeit zu vergessen, die Baumkronen, die sich leicht bewegten und den Himmel über mir zu sehen, das war eine Erfahrung, die mich tief bewegt und auch verändert hat.

Ja, Waldbaden ist etwas anderes als Wandern oder ein Spaziergang! Durch Waldbaden erfahren wir Achtsamkeit und Entschleunigung, wir sind der Natur und uns selbst auf einmal wieder ganz nah und wir nehmen ein Stück davon mit zurück in den Alltag und das nicht nur kurfristig.
Waldbaden hat mich in seinen Bann gezogen und dazu inspiriert meine Erfahrungen mit möglichst vielen anderen, gestressten Menschen zu teilen.